Von Bienen, Blumen und (Obst-)Bäumen: Eine Ausgleichsfläche als Ort für Wildbienenforschung

Ein Spätsommertag, wadenhohes Gras, blühende Wildblumen, Birken, die sich im Wind wiegen und immer wieder Apfelbäume, deren Früchte durch das Laub schimmern. – Um die notwendigen Eingriffe in die Natur beim sechsstreifigen Ausbau der Autobahn A4 zwischen Chemnitz und Hainichen zu kompensieren, hat die Autobahn GmbH in Auerswalde eine Ausgleichsmaßnahme umgesetzt.


Inmitten einer etwa 30 Hektar großen Ausgleichsfläche wurde eine Streuobstwiese mit 240 hochstämmigen Obstbäumen alter Sorten angelegt. Diese ist nun Teil eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts zur Wildbienengesundheit in sächsischen Obstanbaugebieten.

Die Kooperation mit Lisa Prudnikow, Doktorandin an der Hochschule Mittweida, bereichert die Ausgleichsmaßnahme der Autobahn GmbH um einen neuen Aspekt. Ziel ihres Projekts ist es, die Gesundheit und Vitalität von Wildbienen zu erforschen. „Wildbienen spielen eine wichtige Rolle im ökologischen Gleichgewicht, da sie heimische Blüten bestäuben und somit den Fortbestand vieler Pflanzen- und Tierarten sichern.“ Aber: „Fast jede zehnte Wildbienenart in Europa ist vom Aussterben bedroht. Es liegt mir persönlich am Herzen, diese bedrohten Arten zu unterstützen“, erklärt Lisa Prudnikow.

Die Grundlage: Vom Acker zur Ausgleichsfläche

Die Streuobstwiese ist Teil der umfassenden Kompensationsmaßnahme, die etwa drei Kilometer von der Autobahn A4 entfernt liegt. Vor der Umgestaltung war die gesamte Fläche eine intensiv genutzte Ackerfläche. Durch die Ausgleichsmaßnahme wurde sie in eine artenreiche Kulturlandschaft verwandelt, die einer Vielzahl von Tierarten Lebensraum bietet. Neben den Obstbäumen wurden auch Feldgehölzblöcke als zusätzliche Gestaltungselemente integriert. „Die Artenauswahl erfolgte gezielt nach ihrer Bedeutung als Nahrungsquelle für die heimische Fauna“, erläutert Diana Wenzel, seit Oktober 2023 Projektverantwortliche der Autobahn GmbH. „Durch den Einsatz von widerstandsfähigen Gehölzen und alten Obstsorten schaffen wir zukunftsfähige Lebensräume.“

Auch die Pflege der Streuobstwiese erfolgt so, dass der natürliche Charakter der Fläche erhalten bleibt. Zweimal im Jahr wird die Fläche gemäht und die Mahd abgeräumt. Es wird bewusst auf den Einsatz von Düngemitteln und chemischen Pflanzenschutzmitteln verzichtet, um den ökologischen Wert der Fläche zu bewahren. „Die Erhaltung und Pflege der Obstbäume ist uns besonders wichtig“, betont Wenzel. „Sollte die Vitalität eines Baumes gefährdet sein, greifen wir auf gezielte Pflegemaßnahmen wie Gehölzschnitte zurück.“

Nisthilfen für die Ansiedlung der Wildbienen 

Das Herzstück des Projekts zur Wildbienengesundheit ist die Ansiedlung der Wildbienen auf der Streuobstwiese. Nisthilfen wurden speziell für die Mauerbiene aufgestellt, doch es sind auch andere Arten eingezogen. Arten, die für den Obstbau von großer Bedeutung sind, bevorzugen Röhren als Nistplätze. Lisa Prudnikow kontrolliert die Nisthilfen regelmäßig, um den Zustand der Population zu überwachen. „Eigentlich sollte die Nisthilfe vor allem Mauerbienen anziehen, aber zu unserer Überraschung haben sich auch Blattschneiderbienen und andere Arten, z. B. eine Meise, angesiedelt“, berichtet sie. „Die Bienen fliegen in einem Radius von etwa 300 bis 600 Metern, was deutlich weniger ist als bei Honigbienen. Sie sind daher stark auf das Nahrungsangebot in ihrer direkten Umgebung angewiesen.“

Wie erforscht man die Gesundheit von Wildbienen?

Prudnikow entnimmt regelmäßig Pollenproben, um die Pollendiversität und den bakteriellen Haushalt der Wildbienen zu analysieren. „Bakterien und Pollen werden durch den Speichel der Bienen beim Nestbau weitergegeben und beeinflussen so die nächste Generation“, erklärt die Doktorandin. Ziel ihrer Forschung ist es, herauszufinden, wie sich verschiedene Landschaftstypen auf die Gesundheit der Wildbienen auswirken. Dabei wird auch geprüft, ob eine diversere Umgebung mit Wildblumen und Gehölzen die Fitness und Vitalität der Bienen steigert.

Die agrarökologische Forschung ist stark von äußeren Faktoren (Temperatur, Wetter etc.) abhängig. Ein später Frost im April dieses Jahres hat beispielsweise viele Obstblüten beschädigt und das Nahrungsangebot für die Bienen eingeschränkt. „Es war eine schwierige Zeit, da viele Blüten erfroren sind. Die Bienen scheinen in diesem Jahr jedoch auch mit Wildblumen eine gute Pollenquelle gefunden zu haben“, so Lisa Prudnikow. Doch auch Parasiten wie Ohrenkneifer oder Wildbienenmilben stellen eine Bedrohung dar. Trotz dieser Herausforderungen zeigen erste Ergebnisse, dass sich einige Wildbienen in der Ausgleichsfläche tummeln. 

Die Ergebnisse der Forschung sollen in den kommenden Jahren ausgewertet werden und könnten wertvolle Erkenntnisse für die zukünftige Gestaltung von Landschaften und Infrastrukturprojekten liefern. Das Wildbienenprojekt auf der Streuobstwiese zeigt, welche vielfältigen Möglichkeiten zur Förderung von Biodiversität Ausgleichsmaßnahmen bergen und, dass es sich lohnt, diese auszuloten.