Wie in anderen Landschaften auch, versuchte man in Jävenitz die Moorflächen durch Entwässerung für den Menschen nutzbar zu machen. Zwischen dem Ende des 18. und dem Anfang des 20. Jahrhunderts wurden mehr als 160 Hektar Moor trockengelegt. Durch Torfabbau und Brände ging stellenweise bis zu 50 Zentimeter Torfschicht verloren. Die typische Tier- und Pflanzenwelt der Moore konnte sich nur in kleinen Randbereichen erhalten. 1938 wurden 13 Hektar unter Naturschutz gestellt.
Das Moor lebt auf
Das Jävenitzer Moor ist heute großflächig auf 508 Hektar als ein europäisches Schutzgebiet (Fauna-Flora-Habitat-Gebiet) ausgewiesen. Die gesetzlich vorgeschriebenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen des Baus der Bundesautobahn BAB14 Magdeburg – Wittenberge – Schwerin kamen ihm dabei zu Hilfe: Von 2017 bis 2019 wurde das Moor revitalisiert. Stauanlagen wurden zurückgebaut, Entwässerungsgräben wurden verschlossen, es wurden offene Wasserflächen geschaffen und großflächige Waldumbaumaßnahmen realisiert. Es ist die größte Kompensationsmaßnahme für den Bau der neuen Autobahn.
„Ein Moor ist ein sehr komplexes Ökosystem. Das Jävenitzer Moor ist ein Lebensraum für eine Vielzahl bedrohter und geschützter Tier- und Pflanzenarten. Wir möchten mit den durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen einen Beitrag zur Erhaltung des Gebietes und der Biodiversität leisten“ sagt Ines Rödiger, Landschaftsplanerin in der Abteilung Naturschutz und Landschaftspflege der Niederlassung Ost. Ziel ist, dass sich moortypische und torfbildende Pflanzen wieder ansiedeln, denn durch sie wird neuer Torf gebildet. Von der Stabilisierung des Wasserhaushaltes profitiert eine Gesamtfläche von rund 160 Hektar. Steffen Kauert, Leiter der Außenstelle Magdeburg, erklärt: „Dieses Ziel ist nur mit genügender Vernässung des Moores zu erreichen. Das Wasser muss im Moor bleiben, das ist oberste Prämisse“.
Moore sind Klimaschutz
Moore sind für den Naturschutz und die Artenvielfalt äußerst wertvoll und unbedingt schützenswert. Aufgrund der Kohlenstoffspeicherung in ihren Torfkörpern sind Moore weltweit auch für den Klimaschutz relevant. Zudem sind Moore wichtige Gebiete für díe Entstehung von Kaltluft. Heute sind Moore in Deutschland durch vielfache Zerstörung selten geworden. Aus diesem Grund stehen auch die meisten der moortypischen Tier- und Pflanzenarten auf der Roten Liste gefährdeter Arten.
Moorpflanzen sind Spezialisten. Sie müssen in der Lage sein, die permanent nassen, sehr nährstoffarmen und zumeist sehr sauren Bedingungen in ihrem Wurzelraum zu ertragen. Einige von ihnen, wie der Rundblättrige und der Mittlere Sonnentau, sind fleischfressende Pflanzen und können so ihre Ernährungssituation aufbessern. Der Wasserschlauch fängt seine Beute, sehr kleine Wassertiere, sogar in kleinen Bläschen unter Wasser. In den Moor- und Feuchtheideflächen des Naturschutzgebietes wächst die in Sachsen-Anhalt stark gefährdete Glockenheide, sie sind zudem der einzige Fundort des Mittleren Sonnentaus in Sachsen-Anhalt.
Anfängliche Skepsis in Jävenitz
„Als wir im Winter 2018/19 mit den wasserbaulichen Maßnahmen begannen, haben wir standortuntypische Arten wie Fichten und Weymouth-Kiefer entnommen. Mit schwerem Gerät in einem scheinbaren Waldgebiet Bäume heraus zu ziehen hat natürlich bei den Anwohnern anfängliche Skepsis hervorgerufen“, erzählt Steffen Kauert. Die Anwohner der nahegelegenen Ortschaft Jävenitz hatten außerdem Bedenken, dass das steigende Grundwasser durch die Moorvernässung zu Schäden an der Bausubstanz führen könnte. „Seit Beginn der Arbeiten wurden an verschiedenen Pegeln in direkter Nähe der Bebauung die Grundwasserstände dokumentiert und trotz zwischenzeitlichem Anstieg der Wasserstände im Moor konnte kein höheres Grundwasser festgestellt werden“, so der Außenstellenleiter.
Hoher ökologischer Wert
Die Entwicklung des Moorgebietes wird durch ein umfangreiches und auf zehn Jahre angelegtes Monitoring begleitet. Es überwacht die hydraulische, die naturschutzfachliche und die waldbauliche Entwicklung des Maßnahmengebietes. „So wird die Wirksamkeit der Kompensationsmaßnahmen überprüft und wir können, falls nötig, weitere lenkende Maßnahmen entwickeln. Das Monitoring wird von einer projektbezogenen Arbeitsgruppe begleitet. Hier arbeiten wir mit den Fachleuten aus Naturschutz-, Forst - und Wasserbehörden und den Experten unserer Auftragnehmer eng zusammen“, erklärt Ines Rödiger.
„Für uns ist die Maßnahme ökologisch unwahrscheinlich wertvoll“, sagt Steffen Kauert „Wenn wir in 30 Jahren auf diese Maßnahme schauen und sich dort wieder ein intaktes Moorgebiet entwickelt hat, dann ist das ein Habitat, in dem wir so viele Arten auf einer Fläche schützen, wie in keiner anderen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme“.