Der Weg zur Autobahn
Wer Marion Schmiedel bei einer Fahrt auf der Autobahn begleitet, merkt spätestens dann, wenn sie im Vorbeifahren begeistert hinüber zur wie sie findet „schönsten Schallschutzwand der letzten 30 Jahre“ deutet, dass sie ihr Herz an diesen Fachbereich verloren hat. Dabei begann ihre Karriere weit abseits der Autobahn, denn die gebürtige Hallenserin ist eigentlich studierte Chemikerin. Mit dem Diplom in der Tasche zieht es sie 1983 beruflich nach Dresden, wo sie in der Mikroelektronik tätig ist. Doch nach der Wende ist Schluss. Wie viele in dieser bewegten Zeit sattelt sie noch einmal um, wählt eine Umschulung im Fach Umwelttechnik. Abfallrecht und Luftschadstoffe prägen fortan ihren Lernalltag. 1993 dann der Wechsel zur Autobahn, damals noch im Autobahnamt Sachsen. Denn wie es der Zufall will, wird für den Bau der neuen A 17 jemand gesucht, der sich mit eben diesen Fachgebieten auskennt – und dieser jemand heißt fortan Marion Schmiedel.
Da es keine spezielle Ausbildung für den Schallschutz an Straßen gibt, tastet sie sich an das Thema heran – mit Erfolg. Seit über 30 Jahren ist sie nun die Expertin, wenn es um Lärmschutz an Autobahnen in Sachsen, jüngst auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt, geht.
Mit Gründung der Autobahn GmbH des Bundes 2021 dann der Wandel für Marion Schmiedel und ihr Fachgebiet. Ursprünglich zum Bereich Umwelt gehörend, sollte der Lärmschutz nun eine eigene Abteilung werden – mit Marion Schmiedel als Leiterin: „Ich war sehr froh über die Entscheidung. Denn endlich kamen alle Dienstleistungen rund um den Lärmschutz aus einer Hand.“
Die Aufgaben im Bereich Lärmschutz
Vor allem bei Neu- und Umbauprojekten auf der Autobahn werden Marion Schmiedel und ihre Kolleginnen und Kollegen hinzugezogen. Sie führen schalltechnische Berechnungen durch und entscheiden anschließend, ob Schallschutz gesetzlich erforderlich ist und welche Maßnahmen im Einzelnen zum Einsatz kommen. So wie beim erwähnten Vogelschutzprojekt an der A 72. Dort wählte sie eine Kombination aus besonders lärmminderndem, offenporigem Asphalt und einer Lärmschutzwand, um sowohl den Anwohnerinnen und Anwohnern der umliegenden Ortschaften als auch den vom Lärm gefährdeten Vogelarten gerecht zu werden.
Bei ihren Entscheidungen sei besonders der Blick in die Zukunft von Bedeutung, wie sie erläutert: „Wir gehen prognostisch vor, denn unsere Schallschutzmaßnahmen sollen zukunftsfähig sein. Das, was wir heute bauen, muss auch noch den Anforderungen von morgen genügen.“
In manchen Fällen stimmen die Verkehrsprognosen von früher jedoch nicht mehr mit den tatsächlichen Entwicklungen überein. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt daher in der Errichtung nachträglicher Lärmschutzmaßnahmen auf der A 4. „Da insbesondere der Schwerlastverkehr auf diesen Routen unvorhersehbar stark zugenommen hat, bestehen heute andere Lärmschutzerfordernisse als damals. Deshalb planen wir derzeit erweiterte Lärmschutzmaßnahmen zwischen Dresden und Görlitz“, erklärt die Schallschutzexpertin.
Manchmal stehen sogar die Autobahnnutzenden selbst in Marion Schmiedels Fokus. Etwa dann, wenn Lkw-Fahrerinnen und Fahrer ihre Pausenzeiten auf einer PWC-Anlage verbringen: „Meist wird dort eine Wand errichtet, um ihnen etwas Ruhe zu ermöglichen“, sagt sie.
Lärm ist nicht gleich Lärm
Doch auch für Anwohnerinnen und Anwohner hat Marion Schmiedel immer ein offenes Ohr, selbst wenn sie ihnen nur selten weiterhelfen kann. „Oftmals wenden sich besorgte Bürgerinnen und Bürger an mich und fordern aufgrund der Lautstärke Schallschutzmaßnahmen. Aber so einfach ist es leider nicht, da die Rechtsgrundlagen dafür sehr komplex sind“, erzählt sie.
Ein Rechtsanspruch auf Lärmschutz besteht zumeist nur beim Neubau von Autobahnen oder bei deren wesentlichen Änderung, wie der Fahrstreifenerweiterung. Hinzu kommt, dass das Lärmempfinden der Menschen sehr subjektiv sei und von verschiedenen Faktoren beeinflusst werde, wie die Expertin weiter erklärt: „Der Schall wird immer berechnet, nie gemessen. Nur bei einer Berechnung finden etwa die Verkehrsstärke, Verkehrszusammensetzung, Windrichtung und Witterung ausreichend Berücksichtigung. Deswegen ist auch das Messen der Autobahnlautstärke mit dem Handy keine gute Idee.“
Manchmal ergeben Marion Schmiedels schalltechnische Berechnungen aber tatsächlich eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte. Je nach Situation werden dann an den Autobahnen aktive Maßnahmen, wie der Bau von Lärmschutzwänden und Schutzwällen oder der Einbau von lärmarmem Asphalt, durchgeführt. Reichen diese nicht aus, werden passive Maßnahmen, etwa der Einbau von Schallschutzfenstern oder das Anbringen von Schalldämmung, direkt an den Gebäuden vor Ort getroffen. Marion Schmiedel schaut sich dann die örtlichen Gegebenheiten an und entscheidet, welche Maßnahmen umgesetzt werden.
Das Besondere am Beruf
Was Marion Schmiedel an ihrem Beruf am liebsten mag? „Dass jeder Tag neue Herausforderungen bringt. Da sich die Rechtsgrundlagen so kompliziert gestalten, habe ich viele knifflige Aufgaben zu lösen“, antwortet sie und ergänzt schmunzelnd: „Und man kann irgendwann sehen und hören, was man aufs Papier gebracht hat.“ Und „sehen und hören“ kann sie viel, denn besonders in Sachsen nahm fast jede Baumaßnahme einst den Anfang auf ihrem Schreibtisch. Am meisten blieb ihr jedoch ihr damaliges Arbeitsdebut, der Bau der A 17 von Dresden in Richtung Tschechien, in Erinnerung. So sei es etwas sehr Besonderes für sie gewesen, ein so großes Projekt von der Machbarkeitsstudie bis zur Planfeststellung zur Herstellung des Baurechtes zu begleiten.
Das Ende einer Ära
Es sind Aufgaben wie diese, welche ihr Herz höherschlagen lassen. Doch nach über 30 Jahren endet ihre Schallschutz-Ära bei der Autobahn. Marion Schmiedel verabschiedet sich am 30. November 2024 in ihren wohlverdienten Ruhestand. Zwar gehen mit ihr 31 Jahre Schallschutzexpertise, doch ihr Team bliebe nicht unvorbereitet zurück, wie sie betont: „Ich versuche, mein Wissen weiterzugeben, indem ich viel aufschreibe und meine Expertise in Transfergesprächen teile.“
Und so geht Marion Schmiedel mit einem lachenden und einem weinenden Auge – vorfreudig mit Blick auf die Zukunft, wehmütig mit Blick auf die Vergangenheit als passionierte Schallschutzexpertin bei der Autobahn.
Wir danken Marion Schmiedel für die aufschlussreichen Einblicke in die Welt des Lärmschutzes und wünschen ihr einen schönen, erfüllten Ruhestand.