Es summt und zwitschert entlang des Hoyerswerdaer Schwarzwassers. Am Ufer des plätschernden Flusses sprießen Mädesüß, Blutweiderich und heimische Weidearten, wie Sal- und Bruchweide, empor. Wo das Schwarzwasser einst wie mit dem Lineal gezogen durch die Landschaft floss, darf sich der zu DDR-Zeiten begradigte Fluss in der Gemeinde Göda nun wieder auf rund zwei Kilometern durch die Landschaft schlängeln. An manchen Stellen fließt er zügig, anderenorts verlangsamt er sich wieder. Seltene und geschützte Tierarten wie Grünfrösche, Wechselkröten, Bachneunauge, Eisvogel sowie verschiedene Fledermausarten haben in der revitalisierten Landschaft rund um das Schwarzwasser wieder ein Zuhause gefunden. Direkt vor den Augen der Bewohner der umliegenden Orte zwischen Prischwitz und Dreikretscham entsteht in den kommenden Jahren ein Auwald mit Hochstaudenfluren und Feuchtwiesen.
Grüner Ausgleich
Der Bau einer Autobahn ist immer ein Eingriff in Natur und Landschaft, der kompensiert werden muss. Gängig sind als Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen Aufforstungen, das Anlegen von Streuobstwiesen oder neue Baumpflanzungen an Feldwegen. „Die Gewässerrenaturierung des Hoyerswerdaer Schwarzwasser ist etwas Besonderes, da viel Fläche zur Verfügung steht und das Gewässer wieder in weiten Teilen in seinen alten Verlauf zurückverlegt werden kann. Die Auswirkungen der naturnahen Umgestaltung sind komplex“, sagt Landschaftsbau-Projektleiterin Franka Lippert von der Autobahn GmbH.
Durch die vielfältige Neustrukturierung der Landschaft erhöht sich die Artenvielfalt bei Flora und Fauna. In den Überflutungsbereichen entwickelt sich ein Auwald, der das Wasser besser speichern kann als die vorher drainierten Wiesenflächen. Intakte Auen verhindern in niederschlagsarmen Jahren das Austrocknen ganzer Landstriche und haben zudem einen positiven Effekt auf die Grundwasserneubildung. Auch filtern und reinigen sie das Wasser und sichern so unsere Trinkwasserversorgung. Zum Schutz der dort lebenden Tiere wurden zu Beginn der Baumaßnahme Amphibienschutzzäune gestellt und eine Elektrobefischung durch einen Fischsachverständigen durchgeführt. Schon nach wenigen Monaten zeigten die Maßnahmen Erfolg – die Anzahl der Fische im Schwarzwasser ist stark erhöht.
Ein Blick zurück
In den 1970er-Jahren wurde das Schwarzwasser begradigt und teilweise mit Betonsteinen ausgebaut, um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen. Was damals als notwendig erachtet wurde, hat sich später jedoch als ökologisch problematisch herausgestellt, nicht nur in Hinblick auf die Biodiversität. Daher wurde bereits bei der Planung des Ausbaus der Autobahn A4 zwischen Uhyst und Bautzen Ost in den 1990er Jahren die Ausgleichsmaßnahme für das nahegelegene Schwarzwasser beschlossen. Franka Lippert schaut zurück: „Viel Zeit haben die hydraulischen Berechnungen benötigt. Wir mussten im Vorfeld einen hydraulischen Nachweis erbringen, dass nach unserer Baumaßnahme im Hochwasserfall im Vergleich zum Ist-Zustand keine zusätzlichen Flächen auf angrenzenden Flurstücken und insbesondere in bebauten Bereichen überflutet werden.“
Bauen nach dem Vorbild der Natur
Startschuss für die Umsetzung der Ausgleichsmaßnahme war im April 2023. Seitdem schreiten die Arbeiten rund um das Gewässer sichtbar voran und sollen im Herbst 2024 abgeschlossen werden. Das Planungsbüro Stowasserplan aus Radebeul und eine regionale Baufirma wurden mit dem Rückbau des begradigten Flusses beauftragt. Eingebunden sind u. a. die Landestalsperrenverwaltung, welcher die Unterhaltungspflicht für das Gewässer unterliegt sowie die Untere Naturschutzbehörde.
„Auen sind lebendig und ständig im Wandel. Wir haben Impulse gesetzt, um den Fluss zu lenken und eine standortgerechte Vegetation zu entwickeln. Dennoch wird es in den kommenden Jahren noch viel Veränderung geben“, erklärt Andreas Stowasser, Geschäftsführer von Stowasserplan. Impulse wurden durch verschiedene ingenieurbiologische Bauweisen, also das Bauen mit Pflanzen gesetzt.
Oase für Mensch und Tier
Die Bauarbeiten in den ersten zwei Teilgebieten zwischen Prischwitz und Sollschwitz sind bis auf kleine Restarbeiten abgeschlossen. Hier kann bereits beobachtet werden, wie sich die Natur selbst neu entwickelt, wenn ihr der entsprechende Raum gegeben wird. Im dritten Teilgebiet zwischen Sollschwitz und Dreikretscham wird noch bis voraussichtlich Anfang Oktober am Anschluss des neuen Gerinnes an den Gewässerlauf gearbeitet und so wieder ein ökologisch durchgängiges Gewässer entstehen. „Im Anschluss an die Herstellung folgen ein Jahr Fertigstellungs- und zwei Jahre Entwicklungspflege. Ende 2026 erfolgt die Übergabe in die Unterhaltung. Ein Teil der Flächen können dann auch wieder als Grünland genutzt und bewirtschaftet werden, wobei die Art der Bewirtschaftung dem planfestgestellten Maßnahmenziel entsprechen muss“, blickt Landschaftsarchitektin Franka Lippert in die Zukunft. Für die Bevölkerung wird die Aue am Hoyerswerdaer Schwarzwasser eine wichtige Oase zur Erholung und Naturbeobachtung sein. Für den Eisvogel & Co entsteht ein neues Zuhause.