„Der Teufel steckt meist im Detail“

Bevor Straßenbauarbeiten beginnen, werden diese akribisch vorbereitet und schließlich ausgeschrieben. Dabei komme es auch auf viele Kleinigkeiten an, verraten Uwe Toleikis und Hannah Weil.


Ende August geht es weiter mit der größten Deckensanierung auf deutschen Autobahnen. Zwischen den Anschlussstellen Emmerich und Hünxe wird die A3 fit gemacht für die kommenden Jahre. Die Deckenerneuerung umfasst die Erneuerung der Asphaltdeck- und Asphaltbinderschicht in beiden Fahrtrichtungen. Die Erneuerungsstrecke erstreckt sich in Fahrtrichtung Oberhausen rund 42 Kilometer und in Fahrtrichtung Niederlande über insgesamt rund 39 Kilometer. Es gleicht einer logistischen Meisterleistung, denn schließlich muss in den knapp bemessenen fünf Bauabschnitten je Fahrtrichtung alles passen. Mitte April begannen die Arbeiten zwischen den Anschlussstellen Hamminkeln (5) und Wesel (6) in Fahrtrichtung Oberhausen sowie zwischen Emmerich-Ost (3b) und Emmerich (3a) gen Niederlande.

Alter Asphalt wird recycelt

Projektleiter Erdal Zorlu schildert die Arbeiten: „Zunächst fräsen wir den alten, schadhaften Asphalt bis auf zwölf Zentimeter Tiefe ab. 200 Lkw pro Stunde transportieren die abgefräste Fahrbahndecke ab, sie wird recycelt. Wiederum etliche hunderte LKW fahren dann den neuen Asphalt heran, der bei 160 Grad in zwei Schichten aufgetragen und gewalzt wird. Er kühlt schließlich 24 Stunden aus.“ Die enormen Mengen wurden aus neun Mischwerken zwischen Dortmund und dem Emsland gebracht bzw. von dort geholt. Das alte Material kann nach einer Aufbereitung wiederverwertet werden.

Drei Ausschreiber waren involviert

„Bei dieser Maßnahme steckt schon deutlich mehr dahinter als bei einem normalen Deckenbau“, sagt Uwe Toleikis, der zusammen mit seiner Kollegin Hannah Weil und einem weiteren Mitarbeiter die Ausschreibung zu dieser Mammut-Maßnahme fertigte. Toleikis ist dabei einer der „alten Hasen“ der Autobahn GmbH. Erfahrungen aus knapp 35 Jahren haben aus dem Bauingenieur einen wahren Experten gemacht. „Ich habe schon einiges erlebt. Viel Positives, aber auch manches Negative“, so der 62-Jährige. Erfahrungen, die er gerne mit Weil teilt. Sie ist seit 2022 dabei und kam damals direkt nach dem Abschluss ihres Bauingenieur-Studiums mit dem Schwerpunkt Straßenbau an der RWTH Aachen zur Autobahn GmbH. „Ich weiß schon jetzt, dass ich aus dieser Zusammenarbeit viel mitnehme“, sagt die 32-Jährige.

Maßnahme musste unterteilt werden

Die Länge der Maßnahme macht sie so besonders: „Wir haben schnell gemerkt, dass das Bauvolumen zu groß ist, um es am Stück und nur von einem Auftragnehmer durchführen zu lassen. Denn auch für die ausführenden Firmen ist eine solche Größenordnung nicht alltäglich und gerade deswegen auch nicht attraktiv. Sie wären mehr oder weniger ein Jahr vom Markt. Deswegen haben wir sie in zwei Baustellenbereiche mit je fünf Bauabschnitten unterteilt und diese getrennt ausgeschrieben“, schildert Weil. Dabei spielen zahlreiche Aspekte in eine solche Ausschreibung, die Dauer und der Bauzeitraum sind nur zwei davon. 

Vollsperrung macht Arbeiten effektiver

Dass bis auf einen Bauabschnitt alle unter Vollsperrung durchgeführt werden sollen, macht die Arbeiten deutlich angenehmer und effektiver. Der Auftragnehmer kann so ungestört und deutlich schneller arbeiten. Gleichzeitig erfordert es aber auch von allen Beteiligten, also von den Kommunen, von Straßen.NRW und von den Ordnungsbehörden, perfekt abgestimmte und lückenlose Verkehrspläne, um die Umleitungsrouten festzulegen. Generell werde am liebsten über das Autobahn-Netz umgeleitet, was aber in diesem Fall nicht möglich war.

„Teufel steckt meist im Detail!“

„Wir untersuchen zusammen mit unseren Kollegen im Vorfeld natürlich auch sehr genau, was wir für eine Bausubstanz vor Ort vorfinden und was wir einbauen wollen. Auch mögliche Hindernisse gehören dazu. So ist zum Beispiel ein Deckeneinbau auf Brückenbauwerken deutlich schwieriger als auf der normalen Strecke, das muss bedacht werden. Auch die Logistik wird in der Ausschreibung festgelegt. Wir wollen von den Firmen hören, wie viele LKW zur Verfügung stehen, wie viele Personen zu welchen Zeiten arbeiten, und wohin der alte Asphalt zur Aufbereitung kommt, woher der neue. Der Teufel steckt meist im Detail“, weiß Toleikis, der 1989 seinerzeit nach seinem Bauingenieur-Studium an der Bergischen Universität und Gesamthochschule Wuppertal mit der Vertiefung Verkehrsbau zum Rheinischen Autobahnamt kam. 

Im Juni 2023 ging es los

Im Juni 2023 begannen die Ausschreiber ihre Arbeit für diese Maßnahme, ein halbes Jahr später waren sie fertig und es wurde schließlich Europa-weit ausgeschrieben. Über entsprechende Plattformen bekommen die Baufirmen die Unterlagen zur Verfügung gestellt und können in der Folge innerhalb von 35 Tagen ihre Angebote abgeben. Der Zuschlag erfolgte schließlich im Februar 2024.

Ist dieser erfolgt, sind die Ausschreiber nur noch bei Fragen oder Problemen involviert. Denn wer ausschreibt, darf aus Gründen der Korruptionsvorbeugung nicht überwachen, die Bauüberwacherinnen und Bauüberwacher sowie die die Kolleginnen und Kollegen vom Nachtragsmanagement übernehmen. Auch die Prüfstelle Düsseldorf ist mit im Boot. Sie überwacht durch zahlreiche Proben die Qualität des eingebauten Asphalts. 

Maßnahme wird wissenschaftlich begleitet

Hinzu kommt bei dieser Maßnahme sogar eine wissenschaftliche Begleitung: Vor dem Hintergrund immer kürzer gefasster Bau- und Ausführungszeiträume werden Asphaltuntersuchungen zur Ableitung einer verfrühten Verkehrsfreigabe nach Fertigstellung der Asphaltdeckschicht durchgeführt. 

Ziel ist, einen Erfahrungsschatz und Datenpool im Rahmen von Deckenerneuerungen zu schaffen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse sollen in Zukunft fertiggestellte Verkehrsflächen möglicherweise verfrüht – vor Ablauf der vorgeschriebenen Auskühlfristen – aus bautechnischer Sicht freigeben werden können. 

Auf der A3 wird ab dem 23. August für eine Woche die Strecke zwischen den Anschlussstellen Rees und Hamminkeln in Richtung Oberhausen angepackt, im September folgen dann die restlichen Bauabschnitte – auch die, die im Frühjahr aus logistischen Gründen und wegen drohender Streikmaßnahmen verschoben werden mussten.